Dr. Paul Rosbaud (Graz 1896 - London 25.1.1963)

Stets war er bemüht, keine Spuren zu hinterlassen - eine empfehlenswerte Taktik eines Spions. Demjenigen aber, der erfahren will, was Rosbaud geleistet hat, macht sie das Forschen schwierig. Meinerseits habe ich mich bemüht, all das zusammen zu tragen, was meinen Onkel (verheiratet mit der Schwester meines Vaters) betrifft. Es sind Bruchstücke geblieben, und doch erlauben sie zu einer ganzen Zahl wichtiger Ereignisse ausreichende Indizien zu liefern, dass deutlich wird, wo Paul Rosbaud gewirkt hat. Hingegen wird nur unzureichend klar, was er wirklich getan hat, wie gross sein Beitrag zum Geschehen war. Da aber in den meisten Fällen niemand Drittes erscheint, der für das Geschehen verantwortlich sein könnte, bleibt die Vermutung zu Recht bestehen, dass es Paul Rosbaud war.

Aus meiner Sicht und bestmöglich belegt durch nachfolgende Notizen, war Paul Rosbaud der entscheidende Drahtzieher in folgenden Ereignissen:

  1. Nachdem Pietr Kapitza in der Sowjetunion zurück gehalten wurde und die Gefahr bestand, dass er in irgend einem sowjetischen Gulag verschwindet, hat Rosbaud mit Anna Kapitza die Taktik entwickelt, wie gegenüber den russischen Behörden zu argumentieren sei und wie nicht. Im Ergebnis kam eine Vereinbarung zu stande, die Kapitza ermöglichte, in Moskau seine Forschungsarbeiten fortzusetzen. Überraschend ist, dass zu diesem Zweck Kapitza's gesamte Laboreinrichtung aus Cambridge nach Moskau gebracht wurde. Eine Bezahlung für diese Lieferung ist nicht nachzuweisen.

  2. Bei der Flucht von Lise Meitner aus Berlin zuerst nach Holland und dann nach Schweden spielte Paul Rosbaud nicht nur die Rolle desjenigen, der Meitner im Labor von Otto Hahn abholte, ihr beim Packen half und sie dann in den Zug setzte, sondern er war es höchstwahrscheinlich, der für sie zuerst in der Schweiz und dann in Holland die erste Anlaufstelle suchte. Eine ungetrübte lebenslange Freundschaft verband beide.

  3. Erwiesenermassen hat Paul Rosbaud die Publikation des Versuchsergebnisses von Otto Hahn, das unerwartet eine Kernspaltung war, in seiner Zeitschrift "Die Naturwissenschaften" veröffentlicht. Rosbaud hat einen anderen Artikel von der ersten Seite verdrängt, weil ihm bewusst war, dass eine Spaltung des Uranatoms erfolgt war, eine Entdeckung, die im vor der Türe stehenden Krieg von Bedeutung sein wird. Deshalb musste sie unbedingt vor Kriegsausbruch veröffentlicht werden. Otto Hahn hat die Bedeutung des Ergebnisses seines Versuches weniger deutlich gesehen. Inwieweit in dieser Frage Rosbaud als Physiker und seine Kontakte mit Meitner (auf die die Versuchsanordnung zurück ging) besser zur Beurteilung in der Lage war oder ob lediglich aus seiner politischen Einstellung heraus, muss offen bleiben.

  4. Rosbaud hat sehr frühzeitig seine englischen Gesprächspartner darüber orientiert, dass in Deutschland ein Uranklub gegründet wurde, der die Aufgabe hat, das Projekt einer Uranbombe zu verfolgen. Wichtiger aber ist, dass er als erster I.V. Jones, den Chef der Wissenschaftsspionage von MI5 darüber orientierte, dass die deutschen Bemühungen nicht zu einem Resultat führen werden. Durch weitere Informationen, die über verschiedene Kanäle nach England gelangten, ist er wohl diejenige Einzelperson, die den grössten Beitrag zum Niederringen Hitlerdeutschlands geleistet hat.

  5. Fast nur als Konstruktion und mit wenigen Indizien, die alle in diese Konstruktion passen aber nicht ausreichend sind, sie zu belegen, ist Paul Rosbauds Rolle im Falle Kim Philby. Fest steht, dass Rosbaud am gleichen Tag starb, an dem Philby von Beirut kommend in Moskau eintraf. Ebenfalls ist gesichert, dass einige Tage vorher Rosbaud auf seinem Totenbett seine Freundin, eine Mitarbeiterin von MI5, dringend zu sich bat und dass sie bald darauf entlassen wurde. Ebenfalls gesichert ist, dass bei allen Enthüllungen über Philby bis heute nicht bekannt ist, wer dem englischen Geheimdienst den Beweis über dessen Spionagetätigkeit geliefert hat. Ebenso wenig ist bekannt, durch wen Philby in Beirut erfahren hat, dass er verhaftet werden solle, wodurch er in letzter Minute die Chance zur Flucht erhielt. Der Verdacht liegt nahe, dass Rosbaud vor seinem Tod England eine gewisse Dankbarkeit bezeugen wollte ohne aber Kim Philby, dem er verbunden war, der Schande einer Verhaftung auszuliefern.

Zweck dieser Website ist es, auch auf diesem Wege möglichst weitere Informationen zu sammeln in der Hoffnung, dadurch bessere Beweise für das Wirken von Paul Rosbaud zu erhalten. Dies ist umso notwendiger, als die englischen Behörden auch heute noch das Dossier Paul Rosbaud nicht frei geben. Für jede Information ist deshalb dankbar

Dr. Vincent C. Frank
frank.basel@freesurf.ch