Brief von Grimm an den Herrn Reichsminister Goebbels, Berlin, 6. April 1942

Abschrift

Betr. Grünspanprozess Berlin, den 6. April 1942.

Sehr geehrter Herr Reichsminister !

Über meine Tätigkeit im Grünspanprozess und den bisherigen Verlauf des Verfahrens berichte ich ergebenst wie folgt:

1. Unmittelbar nach dem Attentat bin ich von dem Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda beauftragt worden, in gleicher Weise wie ich das schon im Frankfurterprozess im auftrage desselben Ministeriums getan hatte, als Anwalt der Zivilpartei die deutschen Belange im Grünspanprozess vor dem französischen Gericht zu vertreten. Es wurde mir dabei mitgeteilt, dass eine Führerentscheidung ergangen sei, dernach ich den Grünspanprozess genau so wie den Frankfurterprozess zu führen hätte, es wurde aber hinzugefügt, dass dies in engster Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in Paris zu geschehen habe.

2. Sie haben mir darauf ebenfalls den Auftrag erteilt, im Benehmen mit der Deutschen Botschaft und dem Auswärtigen Amt den Prozess zu führen und namentlich darauf zu achten, dass die Frankreichpolitik durch den Verlauf dieses Prozesses keinen Schaden erleide.

Ich habe darauf in loyaler Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und der Botschaft Paris einerseits und dem Propagandaministerium (Sachbearbeiter: Min.Rat. Diewerge) andererseits, später auch mit dem Justizministerium und der Geheimen Staatspolizei, den Prozess in Frankreich durch ständige Verhandlungen mit dem französischen Untersuchungsleiter vorbereitet und würde die Sache im September oder Oktober 1939 vor dem Schwurgericht in Paris als Anwalt des Vaters vom Rath (Zivilpartei) plädiert haben, wenn nicht der Krieg ausgebrochen wäre.

3. Nach Kriegsbeginn entsandten Sie mich mit dem Titel eines "Generalkonsuls bei der Gesandtschaft in Bern" in die Schweiz mit dem Auftrage, von dort aus meine allgemeine Frankreichstätigkeit fortzusetzen. Im Rahmen dieser Aufgabe habe ich von Bern aus auch den Grünspanprozess weiterbetrieben und auf Grund der mit damals vorliegenden gesamten Akten des französischen Untersuchungsrichters eine abschliessende Denkschrift verfasst, deren französische Urschrift ich durch den Genfer Rechtsanwalt Marcel Guinand dem Justizminister in Paris überbringen liess mit dem Antrag, den Prozess mit Rücksicht auf die durch den Krieg bedingte Behinderung der deutschen Zivilpartei vorläufig nicht verhandeln zu lassen. Diesem Antrag wurde entsprochen.

4. Am 15.6.1940 entsandten Sie mich nach Paris, wo ich seitdem als Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in der allgemeinen Frankreicharbeit tätig bin. Die Botschaft sorte nun

a) für die Wiederfestnahme und Auslieferung des von dem Gefängnisdirektor in Bourges zu Unrecht entlassenen Grünspan,

b) für die Beschlagnahme aller für den Grünspanprozess und seine Hintergründe wichtigen Akten bei jüdischen Organisationen, Agenten und Anwälten in Paris. Die Akten wurden in den damals leerstehenden Nebengebäuden der Deutschen Botschaft in Paris gelagert und von mir einer ersten Bearbeitung unterzogen.

1. Nachdem Grünspan nach Berlin überführt war, führte die Gestapo ein anderes Ermittlungsverfahren durch. Damit wurde meine Tätigkeit und die der verschiedenen Ministerialstellen, mit denen ich zusammengearbeitet hatte, zunächst unterbrochen.

2. Im November 1941 wurde mir dann von Herrn Min.Rat Diewerge mitgeteilt, dass in der Grünspansache vor dem Volksgerichtshof in Berlin Anklage erhoben und schon im Januar mit einem Termin zu rechnen sei. Es sei beabsichtigt, sofort die Zusammenarbeit der verschiedenen Ministerialstellen, wie sie 1939 bestanden habe, wiederherzustellen. Ich wurde zu einer Besprechung im Hause des Präsidenten Engert vom Volksgerichtshof eingeladen. Es fanden dann noch weitere Besprechungen statt, zu denen jeweils Vertreter des Reichsjustizministeriums, des Oberreichsanwalts, des Auswärtigen Amts (Gesandter Krümmer und Geheimrat Günther) und des Propagandaministeriums zugezogen wurden. Die Ansetzung eines Termins unterblieb, bis die Botschaft in Paris gemeldet haben würde, dass

a) die Französische Regierung ihre Zustimmung zur Vernehmung der französischen Zeugen in Berlin gegeben hätte,

b) der Riomprozess der Anberaumung eines Termins in der Grünspansache nicht mehr im Wege stände.

1. Inzwischen bereitete ich zusammen mit der Informationsstelle der Deutschen Botschaft in Paris die Herausgabe einer französischen Schrift vor, in der ich an Hand der Dokumente dem französischen Volke die Hintergründe des Grünspanprozesses (Beginn des jüdischen Krieges) klar machte.

2. Inzwischen ist auf Befehl des Führers der Beginn des Prozesses in Berlin auf den 11. Mai 1942 festgesetzt worden, nachdem die Botschaft in Paris die vorerwähnte Meldung erstattet hatte. Da meine Stellung als Vertreter des Herrn vom Rath im deutschen Prozess an sich nicht die gleiche ist wie im französischen Prozess, würde ich es sehr begrüssen, wenn ich Gelegenheit erhielte, dem Führer über den gegenwärtigen Stand des Prozesses Vortrag zu halten, so wie ich das auch im Frankfurterprozess getan habe, damit meine Stellung in dem deutschen Prozess durch Befehl des Führers genau so klargestellt wird, wie dies für den französischen Prozess geschehen war.

Heil Hitler

gez. Dr. Grimm


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