Brief von Leiter Rundfunk an den Herrn Minister (Goebbels), Berlin, 2.4.1942

Leiter Rundfunk Berlin, den 2. April 1942

Dem

Herrn Minister.

Betrifft: Juristischer Bevollmächtigter für den Mordprozess Grünspan

Gestern Abend teilte mir Staatssekretär Gutterer die Entscheidung des Führers mit. Danach soll der Prozess

1. im Rahmen der Führer-Information vom 16. November 1941 durchgeführt werden,

2. an die Stelle von Staatssekretär Freisler ein juristischer Bevollmächtigter treten.

Dieser letzte Beschluss ist von besonders grosser Bedeutung für den Prozess. Ich habe gerade gestern eine Feststellung machen müssen, die deutlich gezeigt hat, dass eine weitere Verantwortlichkeit des Reichsjustizministeriums für die politisch-propagandistische Auswertung des Prozesses verhängnisvoll sein würde.

Ich erinnere daran, dass wir von der Durchführung dieses Prozesses nur durch einen Zufall Kenntnis erhielten. Ich habe mich damals auf Grund Ihrer Weisung sofort eingeschaltet und festgestellt, dass die Anklageschrift ungefähr alle für das Weltjudentum nachteiligen und von uns erarbeiteten Ereignisse nicht verwertet hatte.

Daraufhin haben mit dem Reichsjustizministerium, dem Volksgerichtshof, dem Oberreichsanwalt und dem Auswärtigen Amt eine Reihe von Arbeitssitzungen stattgefunden, in denen Staatssekretär Freisler mir zusicherte, dass er

a) die Anklageschrift auf Grund des Materials des Propagandaministeriums neu erarbeitet werden sollte,

b) dass die juristischen Vorbereitungen so getroffen werden sollten, dass der Prozessbeginn mit kurzer Anlauffrist jederzeit möglich wäre, und dass

c) das Propaganda-Ministerium über jeden propagandistisch wichtigen Vorgang unterrichtet werden sollte.

Deren damals behinderte Staatssekretär Freisler die Vorarbeiten mit dem Hinweis auf die angebliche Aussage eines nach Palästina emigrierten Juden, wonach der Ermordete mit dem Mörder in unerlaubten Beziehungen gestanden haben soll und dabei auch erkrankt sein soll.

Es war von vornherein klar, dass es sich hierbei um ein ganz schmutziges jüdisches Manöver handelte, denn

1) hat der Mörder noch bei jeder Vernehmung ausgesagt, dass er den Ermordeten nicht gekannt habe und dass er in ihm nur den Nationalsozialismus treffen wollte,

2) ist er ja nur durch einen Zufall zu Herrn vom Rath geführt worden, während an sich ein anderer Beamter für die Bearbeitung dieser Angelegenheit zuständig war,


3) hätten es sich die französischen Judenanwälte vom Schlage eines Giafferri niemals entgehen lassen, dieses Motiv vor aller Öffentlichkeit breitzutreten.

Staatssekretär Freisler wollte nun deswegen den Prozess nicht öffentlich durchführen, weil er fürchtete, der Jude könnte eine Andeutung in dieser Hinsicht machen. Eine solche Beschmutzung des Toten zwei Jahre nach seiner Ermordung aber würde meiner Ansicht nach nur gegen den Mörder und seine Clique sich auswirken, da der Gegenbeweis einwandfrei geführt werden kann. Ausserdem bestand meiner Ansicht nach garkein Anlass zu der Annahme, dass der Mörder erst sich der Gefahr einer solchen Aussage aussetzen würde.

Obwohl das Justizministerium diese Stellungnahme, die auch vom Auswärtigen Amt, von der Auslands-Organisation usw. geteilt wurde, genau kannte, musste Prof. Grimm gestern feststellen, dass dieser Punkt in die Anklageschrift aufgenommen worden ist und mit der Anklageschrift dem Angeklagten zugeleitet, d.h. bekannt gemacht wurde.

Da der Verdacht einer Sabotage angesichts der handelnden Persönlichkeiten nicht in Frage kommt, kann es sich nur um gröbste Instinktlosigkeit handeln, die aber im weiteren Verlauf des Prozesses verhängnisvoll werden könnte.

Wenn der juristische Bevollmächtigte wirklich durchschlagende Arbeit leisten soll, muss seine Vollmacht etwa folgendermassen lauten: Herr X. wird aus Anlass der Durchführung des Mordprozesses Grünspan damit beauftragt, alle zur staatspolitischen Sicherung des Prozesses notwendigen Massnahmen im Bereich des Reichjustizministeriums, des Volksgerichtshofes und der Oberreichsanwaltschaft zu treffen. Er ist verpflichtet, seine gesamten Massnahmen in politisch-propagandistischer Hinsicht mit dem Reichspropagandaministerium und dem Auswärtigen Amt abzustimmen.

Als Massnahmen kämen insbesondere in Frage

1) die sofortige Anfertigung einer neuen Anklageschrift auf Grund des hier erarbeiteten Materials,

2) die sofortige Zurückberufung des Oberreichsanwalts Dr. L a u x vom Urlaub,

3) die Befreiung des Senatspräsidenten E n g e r t von allen anderen Arbeiten zur sachgemässen Vorbereitung des Prozesses,

4) die Beigabe von Prof. Grimm an den Bevollmächtigten zur Gestaltung des juristischen Materials.

Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden?

Heil Hitler!


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